Offener Brief an den Bischof von Jugendlichen aus dem Dekanat Chemnitz

Briefumschlag

Plakat zur Aktion, Brief im Original


Lieber Bischof Timmerevers,

wir sind engagierte Jugendliche aus dem Bistum Dresden-Meißen. Neulich saßen wir im Helferkreis des Dekanat Chemnitz. Dabei tauschten wir uns über unseren Glauben und Vergangenheit sowie Gegenwart der katholischen Kirche aus.

Wie soll sich die Kirche nach unseren Vorstellungen entwickeln?

Was läuft unserer Meinung nach gerade richtig gut und was nicht?

Was sollte verändert und welche Wege eingeschlagen werden?

Mit all diesen Fragen gestalteten wir eine Zukunftswerkstatt, um Chancen und Gefahren für junge Katholiken zu erörtern. Daraufhin ergab sich die zentrale Frage: Würden wir uns jetzt noch einmal aktiv dazu entscheiden, in die katholische Kirche einzutreten?

Wir alle sind von klein auf in einer Gemeinde aufgewachsen. Die Kinderkirche, die Ferienfreizeiten, die Jugendgemeinschaft oder auch die KSG bestimmen mehrmals die Woche unseren Alltag und sind daraus auch nicht mehr wegzudenken. Aufgrund dieses Engagements in der Kirche steht für uns nicht die Option offen, sich von Problemen abzuwenden und auszutreten. Denn so viel Positives hält uns zusammen. Gemeinschaften, in denen wir Gleichgesinnte finden, die uns in allen Lebenssituationen unterstützen. Freund*innen, mit denen man in der Einheit des Glaubens verbunden ist. Innerliche Ausgeglichenheit und stetige Unterstützung trotz seiner eigenen Fehler, damit einhergehend auch die eigene Erfüllung, die uns in der Gemeinde umgibt. Freizeitmöglichkeiten aller Art, wie Tanzen, Singen und Sport, die den Ausgleich zum Alltag gemeinsam mit anderen Gläubigen ermöglichen.

Dennoch kommen Zweifel auf, ob wir die Vorgehensweise der katholischen Kirche weiter mittragen möchten.

Für die Annerkennung nicht-heterosexueller Menschen

Zum einen ist die Sexualmoral, welche die Amtskirche in der Öffentlichkeit vertritt, mehr als fragwürdig. Besonders erschütterte uns der Vorfall beim Queergottesdienst („queere“ Menschen fühlen sich einer anderen als der heterosexuellen Geschlechtsidentität zugehörig) am 10. Januar 2022, der von Dompfarrer Norbert Büchner zum Thema Gelassenheit gehalten wurde. Lukas Liepach, Teilnehmer des Gottesdienstes, berichtete uns von dem Vorfall. Kurz vor Ende der Andacht präsentierte sich eine kleine Personengruppe, welche dem restlichen Gottesdienst wie alle anderen beigewohnt hatte, mit einem Banner vor dem Altar. Auf diesem stand geschrieben: „Gott segnet nicht die Sünde“. Direkt im Anschluss verließen die Personen ohne Schlusssegen die Hofkirche.

Unserer Meinung nach ist dieser Vorfall ein deutliches Zeichen dafür, dass sich dringend und unverzüglich etwas ändern muss. Ein solch intolerantes Verhalten wird weitestgehend in der katholischen Kirche geduldet und in manchen Fällen sogar motiviert. Die Realität, vor der sich an vielen Stellen die Amtskirche flüchtet und abwendet, ist schon lange in das Gemeindeleben eingekehrt. So entstand bereits in den 90er Jahren ein christlich-schwul- lesbischer Stammtisch, aus dem sich auch die eben genannten Queergottesdienste entwickelten. Aber auch allerhand Jugend- und Arbeitsgruppen wie die HUK (Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche) zeigen, dass die Thematik längst unter den katholischen Christ*innen angekommen ist. Und doch verschließen sich viele Hauptamtliche vor dem Wandel der Gesellschaft und dessen Auswirkung auf die Kirche.

Die katholische Kirche erklärt im Religionsunterricht und Gottesdienst den Grundsatz der Nächstenliebe als den Wichtigsten für uns Christ*innen. Dennoch unterstützt sie eine Ausgrenzung nicht-heterosexueller Menschen. Ein Widerspruch, den wir nicht verstehen.

Für die Anerkennung des Frauenpriestertums

Neben gleichgeschlechtlichen Partnerschaften erfahren auch andere Personen Ausgrenzung. Frauen dürfen keine Priesterinnen werden. Ein Problem, das man so schnell wie möglich in Angriff nehmen muss. Diese Art der Diskriminierung ist nicht zu rechtfertigen und stellt die katholische Kirche als eine der letzten Institutionen dar, welche sich der Geschlechtergleichheit widersetzt. Weshalb ist es einer Frau nicht gestattet, die Priesterweihe zu empfangen, wenn eine Repräsentation Jesu einer geistlichen und nicht körperlichen Natur entsprechen sollte?

Die geistliche Arbeit im Sinne von Jesus Christus fortzuführen, bedarf keines bestimmten Geschlechts. Viele Jugendgruppen fordern deshalb seit längerer Zeit Frauen als Priesterinnen. Möglicherweise kommt das Frauenpriestertum der katholischen Kirche auch im Hinblick auf den Priester*innenmangel zu Hilfe.

Die Aspekte der Ausgrenzung, aber auch der Zölibat und die Missbrauchsskandale fördern eine Spirale der Kirchenaustritte. Durch immer weniger Mitglieder sinkt folglich auch die Anzahl neuer Geistliche*r. Diese Situation belastet nicht nur den Beruf an sich, sondern auch das gesamte Jugend- und Gemeindeleben. Unweigerlich resultiert mangelndes Interesse an einer Mitgliedschaft in der katholischen Kirche daraus.

Für eine Kirche für alle

In Anbetracht dieser Probleme fordern wir ein unverzügliches Handeln zum Schutz der christlichen Werte ein. Die Menschheit befindet sich in einem stetigen Wandel. Sollten wir nicht auch an dieser Stelle den Umbruch der Zeit erkennen, anstatt als Kirche unzeitgemäß für die Gesellschaft zu werden? Längst ist es überfällig, dass sich die katholische Kirche bezüglich ihrer Sexualmoral, sowie Emanzipation der Frau weiterentwickeln muss. Betont werden diese Probleme durch die wachsende Zahl der Kirchenaustritte. Wir wollen keine Kirche, die sich auf die Liebe zum Nächsten beruft und parallel den Mann über die Frau und Heterosexuelle über andere Sexualitäten stellt. Diese Wertevorstellung hat nichts mit der kirchlichen Gemeinschaft zu tun, die wir kennen und lieben gelernt haben.

Um diesen Forderungen eine starke Stimme zu verleihen, erhoffen wir uns die Unterstützung aller, denen eine Veränderung der katholischen Kirche am Herzen liegt.

Wir wollen bald mit Stolz sagen können: wir würden erneut aktiv in die katholische Gemeinschaft eintreten.

Julia Seifert (Pfarreijugend Chemnitz)
Emily Henning (Jugend Wechselburg)
Elias Kalenborn (Jugend Wechselburg)
Benedikt Klafki (Pfarreijugend Chemnitz)
Martin Krpciar (Jugend Annaberg)
Aaron Lidzba (Jugend Limbach-Oberfrohna; BJHK)
Clemens Kannegießer (Pfarreijugend Chemnitz; stellv. BJHK-Sprecher)

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